(Die Jury des Piepenbrock-Kunstförderpreis mit Tuch und masken aus dem Stück "Twisted" (v.l.): M.-T. Piepenbrock, Ursula Bode. Prof. Dr. Rainer Rollinger, Prof. Dr. Hans-Joachim Manske und Prof. Klauß Dierßen. Foto: Michael Hemann)

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 10.12.2005 zum Piepenbrock Kunst Förderpreis 2005 mit dem Artikel:

Verheddert in den Gummibändern des Lebens


Eine Figur liegt in ein weißes Tuch gehüllt auf dem Boden. Musik erklingt. Zum Adagio aus dem Konzert für Oboe d-Moll von Alessandro Marcello beginnt sich die verhüllte Gestalt langsam zu bewegen, dreht und windet sich, bis ein von einer Maske verhüllter Kopf und ein Körper zum Vorschein kommen. Jetzt wird dem Betrachter auch bewusst, dass über der Protagonistin zwei Gummibänder gespannt sind, die später in Aktion treten werden.

Die Gummibänder, das Tuch, die Masken und die Person spielen die maßgeblichen Rollen in der Performance "Twisted", die jetzt in den Räumen des Fachgebietes Kunst/Kunstpädagogik der Universität Osnabrück gezeigt wurden. Den Anfang machte das "Stadtstück" von Kristin Bachmann. Beide Stücke waren in diesem Jahr von den Lehrenden des Fachgebietes im Bereich "Spiel + Bühne" für den Piepenbrock Kunstförderpreis nominiert worden. Am vergangenen Freitag war die Jury zusammengekommen, um die Gewinner zu küren. Sowohl "Twisted" von Isabell Weber als auch "Stadtstück" waren in Ausschnitten vorgeführt worden. Die Exzerpte hatten den Juroren gereicht, Isabell Weber mit einem der beliebten Kunstpreise auszuzeichnen. Im Rahmenprogramm wurden die Performances jetzt in ganzer Länge gezeigt.

Drei junge Frauen und verschiedene Bühnenelemente agieren in der Performance "Stadtstück", das von expressionistischer Lyrik inspiriert wurde. Kristin Bachmann, die neben Kunst auch Germanistik studiert, hatte Gedichte von Heym, Lichtenstein, van Hoddis, Wegner und Zeck zur Grundlage genommen, ein puristisches Spiel mit Formen, Wörtern, experimenteller Musik und Personen zu schaffen. Gedichtverse, die das urbane Leben thematisieren, werden auf Stellwände und Bühnenelemente projiziert, zwischen denen sich nach einem Blackout Kristin Bachmann sowie ihre Kommilitoninnen Gudrun Kersting und Nicola Steinkamp bewegen, reduziert, vielfältige Assoziationen freisetzend. "Eine menschliche Figur bewegt sich im Bild der Stadt, fällt dabei zunehmend aus der Rolle und gelangt am Ende zu einer neuen Perspektive außerhalb der Stadt", beschreibt Bachmann die Spielhandlung.

Das Leben in vier Szenen zeigt Isabell Weber in "Twisted". Nachdem die menschliche Figur sich aus dem Tuch befreit hat, einem Symbol für die Geburt, durchlebt sie die Kindheit, das Erwachsenensein und schließlich das Alter und den Tod, jeweils gekennzeichnet von in Farbe und Material unterschiedlich gestalteten Masken. In der Auseinandersetzung mit dem Gummiband als Symbol für das Leben gerät das Individuum immer mehr in Konflikt mit den Bändern, verwickelt und verheddert sich, verliert den Kampf schließlich und stirbt. Die eindrucksvolle, durch Musik von Satie, Grieg, Orff und Bach begleitete Aktion hätte allerdings im Mittelteil mehr Dynamik entwickeln können. Zur aggressiven Musik von Apocalyptica kämpft die Figur mit der Umwelt, ohne wirklich angriffslustig oder hitzig zu wirken. Aber manchmal werden Auseinandersetzungen ja auch subtil geführt.

(Quelle: http://www.neue-oz.de/_archiv/noz_print/feuilleton/2005/12/12529677.html,
Autor: Tom Bullmann, Osnabrück